Der Klang des Universums
- Sabine Fischer
- 11. März
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 2 Tagen
Nada Brahma – Die Welt ist Klang
Ich bin unterwegs in einem riesigen Einkaufszentrum und habe völlig die Orientierung verloren. Gerade hatte ich eine Pause eingelegt, doch nun möchte ich weiter. Ich fühle mich unwohl, fremd und alleine und da ich überhaupt nicht weiß, was ich hier noch soll, will ich zurück zum Parkdeck. Doch ich habe vergessen, wo es sich befindet.
Auf einmal werde ich auf eine Gruppe junger Menschen aufmerksam. Sie haben Flöten und Trommeln dabei und zum Rhythmus ihrer Instrumente bewegen sie sich tanzend vorwärts. Sie sind ein faszinierender Anblick, weil sie in ihren Bewegungen perfekt übereinstimmen und eine vollkommen harmonische Einheit bilden.
Diese Gruppe hat eine Ausstrahlung, die auch anderen Zuschauern nicht verborgen bleibt und die ersten haben sich den tanzenden Musikern bereits angeschlossen.Gemeinsam mit ihnen bewegen sie sich völlig synchron im Takt der Musik. Immer mehr Menschen kommen dazu und werden Teil dieses eindrucksvollen Tanzes.
Es sind die verschiedensten Typen, Jung und Alt bunt gemischt, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit hier auf einmal zu einem großen Ganzen werden. Inzwischen sind sie schon zu einem richtigen Menschenstrom angewachsen, der wie eine bunte Schlange unermüdlich durch das Einkaufszentrum gleitet – treppauf, treppab, treppauf, treppab.
Da tänzelt eine ältere Dame an mir vorbei. Sie befindet sich völlig im Einklang mit der Gruppe und ein seliges Lächeln liegt auf ihrem Gesicht. Sie bewegt sich wie von selbst und auf einmal unterscheidet sie ihr Alter nicht mehr von den anderen. Sie sind durch die Musik miteinander verbunden und werden immer mehr eins.
Die Klänge und vor allem diese unbeirrbare Menschengruppe üben eine Anziehung auf ihre Umgebung aus, der man sich kaum noch entziehen kann. Es ist wie ein Sog und umso mehr Menschen sich dieser Bewegung anschließen, desto stärker wird dieser Sog.
Auch ich kann wahrnehmen, wie es mich immer mehr ergreift und beeindruckt von der alten Dame, die sich hier mitbewegt wie ein junges Reh, wage ich meine ersten Schritte zum Rhythmus der anderen. Ich spüre meine anfängliche Unbeholfenheit, doch die Klänge der Musik und diese ganz klar ausgerichteten Menschen geben mir Sicherheit.
Sie lassen sich durch nichts aus dem Takt bringen und jeder einzelne wird gehalten von der Gemeinschaft. Mit jedem Schritt geht es leichter. Ich merke, wie ich langsam anfange, den Rhythmus in mir aufzunehmen und immer weniger auf meine Schritte achten muss. Auf einmal wird alles so einfach …
Ich kann mehr und mehr loslassen und mich der Bewegung dieses Stroms hingeben. In dem Moment, in dem ich auch den letzten Gedanken aufgegeben habe, geht alles plötzlich wie von selbst. Ich werde getragen von dieser Gruppe, dieser Bewegung, diesem Fluss. Kein Wunder, dass die alte Dame sich so leichtfüßig bewegen konnte.
Ich fühle eine Leichtigkeit und werde durchströmt von einem Glücksgefühl, wie ich es bisher noch nicht gekannt habe. Es ist berauschend, mich im Gleichklang mit all diesen Menschen zu bewegen. Wie durch Zauberhand halte auch ich auf einmal ein Musikinstrument in der Hand. Ich kenne es nicht, aber ich kann es spielen.
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Ich befinde mich in einem Einkaufszentrum, einer riesigen Shopping Mall. Sofort kommen mir Assoziationen wie Konsum, Verlockung, Rausch, Ablenkung, Betäubung, Gier, Mangelgefühle, Bedürftigkeit und nicht zuletzt Orientierungslosigkeit. Auf meiner Suche nach dem Glück, dem wahren, immerwährenden, dauerhaften Glück, habe ich mich verloren in einer Welt der Verheißungen im Außen.
Der Mensch ist verloren, weil er vergessen hat. Wir haben vergessen, was unser Ursprung ist und wer wir in Wahrheit sind. Wir haben die Verbindung verloren zu der ewig sprudelnden Quelle in uns, zu dem göttlichen Licht, unserem wahren Wesen, zu unserer inneren Weisheit und der uns innewohnenden Glückseligkeit.
Was wir in unserer menschlichen Existenz vor allem wahrnehmen, ist der Zustand der Trennung und Selbstentfremdung. Ego, Verstand und Intellekt haben die Führung in unserem Leben übernommen und übertönen unser inneres Lied. Der Fall aus dem Paradies.
Im Grunde streben wir in all unserem Handeln nur nach dem einen einzigen Ziel, diesen Zustand der Trennung zu überwinden. Wir sehnen uns nach Verbindung, Einssein, Sicherheit, innerem Frieden, Gelassenheit, Freiheit, Glückseligkeit. Nur suchen wir am falschen Ort. Wir hoffen immer wieder vergeblich, die Erfüllung im Außen zu finden und können doch nur im Innern fündig werden.
In jedem Menschen schwingt ein Ton, ein längst vergessener Ton, ein Ton, den wir Menschen verlernt haben zu hören. In ihm klingen die Qualitäten all dessen, wonach wir im Außen ein Leben lang vergeblich suchen. Dieser Ton ist der Klang des Universums.
Alles ist Energie. Das ganze Universum ist Schwingung, Rhythmus und Klang. Alles schwingt in einer ganz bestimmten Frequenz, so auch der Mensch und der ewige Ton in ihm.
Doch um auf dieser Frequenz hören zu können, müssen wir unseren Empfang umstellen, unsere Wahrnehmung verändern. Ich kann den Südwestfunk nicht hören, wenn mein Radioempfang auf den Bayernfunk eingestellt ist. Und so kann ich auch den ewigen Ton in mir nicht empfangen, solange ich in Ego und Verstand verhaftet bin.
Und auf einmal ist da diese Gruppe von Musikern, die genau jenes vergessene Lied spielt, das Lied vom Rhythmus und Klang des Universums. Es passiert mitten in einer Shopping Mall, dem Inbegriff der Selbstentfremdung, und mir wird bewusst – dieser Klang ist jetzt und überall und immer. Es ist in jedem Augenblick möglich, ihn wieder zu hören. Und in dem Moment, in dem ich ihn wieder wahrnehme, verbinde ich mich mit meinem Ursprung, dann bin ich sicher, getragen, glücklich und frei.
Für mich symbolisiert dieser Tanz den Rhythmus des Universums, den Fluss des wahren, echten Lebens. Wenn wir den Widerstand aufgeben, die Grenze unseres Verstandes überwinden, die Kontrolle abgeben und uns in Vertrauen und Hingabe üben, dann werden wir getragen sein von diesem Rhythmus, von diesem Fluss.
Dann ist da noch dieses mir unbekannte Musikinstrument, das ich auf einmal in der Hand halte und wie selbstverständlich bespielen kann. Wir haben weit mehr Fähigkeiten, als wir denken. Wenn wir über die Grenzen unseres Verstandes hinausgehen und wieder in der Lage sind, diesen Klang des Universums in uns wahrzunehmen, werden wir Fähigkeiten entwickeln, von denen wir gar nicht wussten, dass wir sie haben - und auf Musikinstrumenten spielen, die wir bis dahin gar nicht kannten.